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Capgemini: Automobilindustrie baut Investitionen in intelligente Fabriken massiv aus

  • 44 Prozent der Fabriken sollen in den nächsten fünf Jahren „smart“ werden

  • Produktivitätszuwachs von mehr als 160 Milliarden US-Dollar möglich

Jacqueline Wild, Head of Practices and Innovation bei Capgemini in Österreich. Credit: Capgemini/Abdruck honorarfrei

Die Automobilindustrie plant, ihre Investitionen in den Aufbau von intelligenten Fabriken (Smart Factories) in den nächsten drei Jahren um mehr als 60 Prozent zu erhöhen und ist damit anderen Branchen voraus. Durch den Aufbau von Smart Factories sind Produktivitätssteigerungen von mehr als 160 Milliarden US-Dollar möglich, so die aktuelle Studie des Capgemini Research Institute „How Automotive Organizations can maximize the Smart Factory Potential“. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, müssen die Unternehmen ihre Smart-Factory-Initiativen umfassend skalieren und in die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter sowie in ihre IT-Systeme investieren.


Die Studie beleuchtet, wo Automobilhersteller (OEMs) und Zulieferer beim Thema intelligente Fabriken heute stehen und stellt die Ergebnisse vergleichbaren Untersuchungen aus den Jahren 2017/18 gegenüber. Es wird deutlich, dass sowohl die prognostizierten Investitionsniveaus als auch die Produktivitätssteigerungen im Zusammenhang mit intelligenten Fabriken beträchtlich sind. Jedoch ist nur ein kleiner Teil der Automobilunternehmen in der Lage, die Vorteile durch eine umfassende Skalierung auch voll auszuschöpfen. Die Capgemini-Studie stuft 72 Prozent der Automobilunternehmen als „Anfänger“[1] ein, nur 10 Prozent sind „Vorreiter“[2] und damit gerüstet, das ganze Potenzial intelligenter Fabriken zu nutzen (bei den OEMs zählen 18 Prozent zu den Vorreitern, bei den Zulieferern 8 Prozent).


Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick:


Die Automobilindustrie hat Erwartungen übertroffen


In den letzten zwei Jahren wurden 30 Prozent der Fabriken in intelligente Fabriken[3] umgewandelt. Damit wurden die Erwartungen von 2017/18 sogar übertroffen, denn vor zwei Jahren gingen die befragten Führungskräfte noch von einem 24-prozentigen Anteil aus. Der Studie zufolge ist zudem fast die Hälfte (48 Prozent) der befragten Führungskräfte der Meinung, dass sie „gute oder bessere Fortschritte als erwartet“ bei der Umsetzung ihrer Smart-Factory-Roadmap machen – im Vergleich zu 38 Prozent im Jahr 2017/18.


„Es gibt drei wesentliche Gründe, warum wir eine Smart-Factory-Initiative aufgesetzt haben“, sagt Dr. Seshu Bhagavatula, Präsident New Technologies und Business Initiatives bei Ashok Leyland, einem der größten Hersteller von Schwerfahrzeugen in Indien. „Der erste Grund ist, die Produktivität unserer alten Fabriken durch die Modernisierung und Digitalisierung des Betriebs zu verbessern. Der zweite Grund ist, sich mit Qualitätsaspekten befassen zu können, die herkömmlich schwer zu erkennen sind. Und der dritte ist, eine hohe Individualisierung mit einer Massenfertigung zu kombinieren. All dies ist Teil eines großen internen Strategieprogramms, das wir ‚Modulares Geschäftsprogramm‘ nennen.“


Die Automobilindustrie bewegt sich schneller als andere Branchen


Für die nächsten fünf Jahre hat sich die Automobilindustrie ambitionierte Ziele gesetzt und plant, 44 Prozent ihrer Fabriken in intelligente Anlagen umzuwandeln. Sie ist damit branchenübergreifend führend: So soll im Bereich diskrete Fertigung (ohne Automotive) der Anteil an intelligenten Fabriken bis 2025 um 42 Prozent erhöht werden, gefolgt von der Prozessindustrie mit 41 Prozent, der Energie- und Versorgungswirtschaft mit 40 Prozent sowie der Konsumgüterindustrie mit 37 Prozent.


Die Investitionspläne der Automobilunternehmen spiegeln sich auch im Anteil am Gesamtumsatz wider, den sie jährlich in intelligente Fabriken investieren möchten: Dieser soll von rund 2,2 Prozent in den letzten drei Jahren auf 3,5 Prozent bis 2023 steigen – dies entspricht einem Anstieg von 62 Prozent. Bei ihren Investitionen werden sich die Automobilunternehmen auf eine Kombination aus Greenfield- und Brownfield-Anlagen fokussieren: 44 Prozent planen einen hybriden Ansatz, 31 Prozent erwägen den Bau von Brownfield-Fabriken[4] (geschätzte Kosten für einen der zehn größten OEMs: 4 bis 7,4 Mio. US-Dollar pro Anlage) und 25 Prozent wollen in eine Greenfield-Fabrik investieren (Kosten von 1 bis 1,3 Mrd. US-Dollar pro Fabrik – das klingt zunächst teurer, ermöglicht aber gleich zu Beginn ein auf Effizienz ausgerichtetes Setup).


Investitionen in intelligente Fabriken führen zu enormen Produktivitätszuwächsen


In der Studie wurde der Produktivitätszuwachs durch intelligente Fabriken bis 2023 anhand von drei verschiedenen Szenarien hochgerechnet: Im optimistischen Szenario liegt dieser bei 167 Mrd. US-Dollar, im durchschnittlichen Szenario bei 135 Mrd. US-Dollar und im konservativen Szenario bei 104 Mrd. US-Dollar. Dies entspricht einem jährlichen Zuwachs von 2,8 bis 4,4 Prozent und einem Gesamtproduktivitätszuwachs von 15,1 bis 24,1 Prozent für die gesamte Automobilindustrie bis 2023. Unternehmen wie Mercedes-Benz Cars[5] nutzen das Potenzial bereits: Der Automobilhersteller konnte durch den Einsatz von Advanced Data Analytics bei der Schaffung selbstlernender und selbstoptimierender Produktionssysteme eine vierfache Reduzierung der Ausschussquote bei einigen Schlüsselkomponenten erreichen.


„Die Automobilunternehmen sind in den letzten zwei Jahren bei ihren Smart-Factory-Initiativen besser vorangekommen als gedacht und planen nun, das Tempo weiter zu erhöhen. Die Automobilhersteller und -zulieferer sind zu großen Investitionen bereit – und wir erwarten, dass sich diese bis 2023 auszahlen und die Automobilunternehmen jährliche Produktivitätssteigerungen von 2,8 bis 4,4 Prozent erreichen werden", sagt Jacqueline Wild, Head of Practices and Innovation bei Capgemini in Österreich.


„Für die Automobilbranche heißt es jedoch, jetzt die Lücken im Talentpool, in der Technologiestrategie und beim Thema Skalierung zu schließen. Nur so können sie die Vorteile voll ausschöpfen. Da intelligente Fabriken ein entscheidender Teil der Industrie 4.0 sind, müssen sich OEMs und Zulieferer auch auf intelligente Betriebsabläufe konzentrieren. Dazu zählt es, auch das Asset Management sowie das Supply-Chain- und Service-Management ‚smart‘ zu gestalten, um das Potenzial der verschiedenen Technologien vollständig zu erschließen.“


Gewinne sind noch nicht realisiert


Die Automobilindustrie hat sich zwar hohe KPI-Ziele gesetzt, bis sie das Potenzial intelligenter Fabriken jedoch voll ausschöpfen kann, ist noch ein weiter Weg zurückzulegen: Denn beispielsweise sind von dem Ziel, die Produktivität um 35 Prozent zu steigern, bisher nur 15 Prozent umgesetzt. Zudem haben sich die Gesamteffektivität der Ausrüstung und die Reduzierung der Lagerbestände/WIP lediglich um 11 Prozent verbessert, im Gegensatz zu den Zielen von 38 bzw. 37 Prozent. Dies macht deutlich, dass es gerade bei der vollständigen Skalierung der Smart-Factory-Initiativen noch Verbesserungsbedarf gibt.


Die Studie empfiehlt den Automobilunternehmen, ihre Initiativen innerhalb einer Fabrik und darüber hinaus vollständig zu skalieren, sich auf eine Vision festzulegen, die Integration von IT-Lösungen voranzutreiben und die IT-OT-Konvergenz zu stärken. Darüber hinaus sollte die Talentbasis weiter ausgebaut und eine Kultur datengesteuerter Abläufe gefördert werden.


Methodik der Studie


Für die Studie wurden 100 Führungskräfte großer Automobilhersteller und -zulieferer aus elf Ländern mit einem Umsatz von mehr als 1 Milliarde US-Dollar befragt, 98 davon betreiben bereits intelligente Fabriken. Es wurden zudem zehn ausführliche Interviews mit Senior Executives aus der Automobilbranche geführt, die für Smart-Factory-Initiativen verantwortlich sind.

 

[1] Zur Gruppe der „Anfänger“ gehören Unternehmen, die nicht in der Lage sind, die Kosten für die intelligente Fabrik aufzubringen.


[2] Unter den „Spitzenreitern“ sind Unternehmen zusammengefasst, die hochleistungsfähig sind und alle anderen in den Dimensionen der Smart-Factory-Transformation übertreffen.


[3] "Intelligente" Fabriken setzen digitale Technologien ein, um signifikante Verbesserungen in Produktivität, Qualität, Flexibilität und Service zu erzielen. Drei digitale Schlüsseltechnologien ermöglichen die intelligente Fabrik. Konnektivität: z.B. die Nutzung des industriellen IoT zur Sammlung von Daten von bestehenden Anlagen und neuen Sensoren. Intelligente Automatisierung: z.B. fortschrittliche Robotik, industrielle Bildverarbeitung, verteilte Steuerung, Drohnen. Cloud-Scale Data Management und Analytics: z.B. Implementierung von prädiktiver Analytik/KI. Diese digitalen Technologien ermöglichen auch die IT-OT-Konvergenz zur Unterstützung der durchgängigen digitalen Kontinuität vom Entwurf bis zum Betrieb (digitaler Zwilling).


[4] Die Kosten für Greenfield- und Brownfield-Anlagen wurden im Report aus 2018 hochgerechnet. Capgemini Research Institute, “Automotive Smart Factories: Putting Auto Manufacturers in the Digital Industrial Revolution Driving Seat,” April 2018.


[5] The smart factory: The completely networked value chain. Retrieved December 11, 2019



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