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Capgemini-Studie: Nachhaltigkeit wird für Automobilunternehmen zum strategischen Muss

  • stärkere Ausrichtung auf Nachhaltigkeit bei Elektrofahrzeugen und größerer Beitrag zur Kreislaufwirtschaft notwendig

  • weltweit Investitionen von 50 Milliarden US-Dollar nötig, um Klimaziele zu erreichen

Jacqueline Wild, Head of Practices and Innovation bei Capgemini in Österreich (Credit: Capgemini, Abdruck honorarfrei!)

Die Automobilbranche rückt das Thema Nachhaltigkeit stärker in den Fokus. 62 Prozent der Automobilunternehmen verfügen bereits über eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie. Bei der Erfüllung globaler Nachhaltigkeitsstandards sind sie Unternehmen aus anderen Branchen sogar voraus. Es zeigt sich allerdings, dass die Umsetzung häufig noch keinem ganzheitlichen Ansatz folgt. So haben von den 74 Prozent der Automobilhersteller, die eine Elektrofahrzeugstrategie verfolgen, nur 56 Prozent eine solche als Teil ihrer Nachhaltigkeitsstrategie verankert. Darüber hinaus reichen die Investitions- und Umsetzungsniveaus sowie die Steuerung der Nachhaltigkeit noch nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Das geht aus der aktuellen Studie des Capgemini Research Institute “The Automotive Industry in the Era of Sustainability” hervor, für die weltweit mehr als 500 Führungskräfte aus Automobilunternehmen und 300 Nachhaltigkeitsexperten befragt wurden.

Die Studie zeigt, dass die Automobilindustrie bei ihren derzeitigen Investitionen einen Rückstand von 20 Prozent aufholen muss, um die festgelegten internationalen Klimaziele zu erreichen. Zudem können nur 9 Prozent der analysierten Automobilunternehmen als „leistungsstarke Nachhaltigkeitsführer“ eingestuft werden, 91 Prozent haben die Reife noch nicht erreicht und 26 Prozent von ihnen gelten als „Nachzügler“. Mehr als die Hälfte der führenden Unternehmen stammt aus Deutschland (28 Prozent) und den USA (26 Prozent); in der Regel sind dies große Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 25 Milliarden US-Dollar. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick: Automobilunternehmen machen stetige Fortschritte bei der Nachhaltigkeit Das Thema Nachhaltigkeit hat in der Automobilindustrie sowohl als Gesprächsthema als auch hinsichtlich seiner geschäftlichen Priorität an Bedeutung gewonnen. So hat sich die Anzahl der Investorenveranstaltungen mit Nachhaltigkeitsbezug in der Automobilbranche von 142 im Jahr 2015 auf 320 im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. 62 Prozent der befragten Autounternehmen gaben an, über eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie mit klar definierten Zielen und Zeitplänen zu verfügen, lediglich 8 Prozent entwickeln momentan eine solche Strategie. Nachhaltigkeitsexperten schreiben der Branche im Allgemeinen zu, dass sie bei der Sicherstellung der globalen Nachhaltigkeit entweder anderen Industrien voraus (46 Prozent) oder mit ihnen gleichauf (19 Prozent) ist. Es fehlt ein ganzheitlicher Ansatz Die Studie zeigt, dass die Autobranche sich in punkto Nachhaltigkeit zwar weiterentwickelt hat, es aber noch deutliches Verbesserungspotenzial gibt: So wurden die Fortschritte der Unternehmen bei 14 Initiativen analysiert, die alle Bereiche der Wertschöpfungskette abdecken. Diese reichen von der nachhaltigen F&E und Produktentwicklung bis hin zur Unterstützung und Förderung der Kreislaufwirtschaft. Die Gewichtung der verschiedenen Initiativen ist dabei sehr unterschiedlich: 52 Prozent der Unternehmen arbeiten zwar an Programmen zur Kreislaufwirtschaft, aber nur 8 Prozent an der Nachhaltigkeit im IT-Bereich.

Milliardeninvestitionen notwendig, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen Nachholbedarf gibt es auch beim Thema Unternehmensführung, denn nur 44 Prozent der Unternehmen verfügen über ein zentrales Gremium, das sich der Überwachung von Nachhaltigkeitszielen widmet, und 45 Prozent geben ihren wichtigsten Führungskräften spezielle Ziele vor. Insgesamt haben nur 19 Prozent mindestens vier quantifizierbare Ziele, die auf Bereiche ausgerichtet sind, die sich am stärksten auf die Nachhaltigkeitsleistung auswirken (wie z.B. Abfallrecycling, Frischwasserverbrauch und ethische Arbeitsrichtlinien). Damit Automobilunternehmen die internationalen Nachhaltigkeitsziele wie das Pariser Klimaabkommen oder den neuen europäischen „Green Deal“ erreichen, sind zusätzlich zu den derzeitigen Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in Elektrofahrzeuge und Mobilitätsdienstleistungen weitere geschätzte 50 Milliarden US-Dollar notwendig. Die Studie hat zudem zwei für die Automobilbranche wichtige Triebfedern der Nachhaltigkeit untersucht – Elektrofahrzeuge und die Kreislaufwirtschaft: Stärkerer Nachhaltigkeitsfokus bei Elektrofahrzeugen wichtig Ein wesentlicher Teil der Nachhaltigkeitsprogramme in der Automobilindustrie ist die Reduzierung der Treibhausgasemissionen (THG). Elektrofahrzeuge haben hierauf einen nicht unerheblichen positiven Einfluss. Um diesen Einfluss über die gesamte Lebensdauer von Elektrofahrzeugen zu erhalten, ist es wichtig, dass sie von erneuerbaren Energien gespeist werden. Der Capgemini-Studie zufolge planen jedoch nur 15 Prozent der Automobilhersteller die Bereitstellung einer Ladeinfrastruktur für die Stromversorgung von Elektrofahrzeugen mit erneuerbaren Energien. Weitere Faktoren machen es erforderlich, dass sich Unternehmen beim Bau von Elektrofahrzeugen stärker auf Nachhaltigkeit fokussieren: zum einen die höhere CO2-Bilanz der Batterieproduktion im Vergleich zur Produktion fossiler Kraftstoffe und zum anderen ein begrenztes Angebot an Lithium und seltenen Erdmetallen. Letztlich werden die Kreislaufwirtschaft, die eine längere Lebensdauer von Fahrzeugen und Teilen ermöglicht, sowie neue Geschäftsmodelle entscheidend dazu beitragen, dass Elektrofahrzeuge ihr Nachhaltigkeitspotenzial ausschöpfen können. Automobilunternehmen müssen stärker zur Kreislaufwirtschaft beitragen Eine der effektivsten Möglichkeiten, wie Automobilunternehmen nachhaltiger werden können, ist die Einführung einer Kreislaufwirtschaft. Dies betrifft viele Schlüsselbereiche der Nachhaltigkeit – von der Supply Chain bis hin zu Recycling, Beschaffung und After-Sales. Bekannte Automobilmarken haben bereits die Wirksamkeit dieses Ansatzes vorgeführt. Michelin verwertet z.B. 85 Prozent seiner alten Lkw-Reifen wieder. Diese werden im britischen Werk runderneuert, was 60 kg CO2-Emissionen pro Reifen einspart. GM hat aus dem Verkauf von wiederverwertbarem Abfall eine Milliarde US-Dollar erzielt. Der Studie zufolge haben die Automobilunternehmen jedoch noch einen langen Weg vor sich, bis sie umfassend von der Kreislaufwirtschaft profitieren. Nur 32 Prozent der für die Studie befragten Unternehmen gaben an, mit ihrer Lieferkette derzeit zur Kreislaufwirtschaft beizutragen, wobei dieser Anteil in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich auf 51 Prozent steigen wird. Bei den einzelnen Initiativen der Kreislaufwirtschaft gibt es zudem große Unterschiede: 75 Prozent recyceln eine beträchtliche Menge Industrieabfälle und Schrott und 71 Prozent geben Anreize für Endverbraucher, überholte Teile und Komponenten wiederzuverwenden. Nur 51 Prozent investieren jedoch in die Infrastruktur und die Fähigkeiten, alte Komponenten oder Schrott wiederzuverwerten und 36 Prozent setzen auf Partnerschaften, um Elektrofahrzeugbatterien ein zweites Leben zu ermöglichen. „Damit sich die Automobilbranche zu einer nachhaltigen und umweltfreundlicheren Industrie entwickeln kann, müssen Autofirmen das tatsächliche Potenzial von Elektrofahrzeugen ausschöpfen und Nachhaltigkeit im Unternehmen verankern. Darüber hinaus gilt es, stärker in die Kreislaufwirtschaft zu investieren, um von Kostenvorteilen und der Wiedervertertung von Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu profitieren“, sagt Jacqueline Wild, Head of Practices and Innovation bei Capgemini Österreich. Die Studie gibt eine Reihe von Empfehlungen, die auf den Erfahrungen von Automobilunternehmen basieren, die beim Thema Nachhaltigkeit führend sind:

  • Aufzeigen konkreter Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit durch Berichte mit unternehmensweit vergleichbaren Daten und standardisierten Kennzahlen

  • Verfolgen der Nachhaltigkeit als unternehmensweite Mission

  • Einführen einer Rechenschaftspflicht von Führungskräften und Investitionen in eine solide Unternehmensführung

  • Planung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsinitiativen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Automobilindustrie

  • Einsatz von Technologie, um die Nachhaltigkeit des Betriebs zu verbessern

  • Allianzen und Partnerschaften stärken, um eine größere Wirkung zu erzielen

„Nachhaltigkeit ist für Automobilhersteller heute ein Muss und kann mit dem richtigen Ansatz gleichzeitig zum Differenzierungsfaktor werden. Wer es schafft, ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln und dieses auch authentisch kommuniziert, wird von den Mobilitätskunden durch Akzeptanz und Erfolg belohnt“, stellt Wild abschließend fest. Zur Methode der Studie

Für die Studie wurden im Zeitraum von November bis Dezember 2019 503 Führungskräfte von Automobilunternehmen aus neun Ländern befragt sowie elf Tiefeninterviews durchgeführt. Befragt wurden zudem 317 Nachhaltigkeitsexperten, darunter NGOs, Wissenschaftler und Aufsichtsbehörden, ergänzt durch neun Tiefeninterviews.



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